Progressive Steuersätze führen zu einer ungleichen Behandlung von Steuerpflichtigen nach Einkommen, was einen erheblichen Eingriff in das Gleichheitsgebot (Art. 7 B-VG) darstellt.
Im Allgemeinen verlangt der Gleichheitsgrundsatz, dass Ausnahmen von einer Gleichbehandlung sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Da eine über die proportionale Besteuerung hinausgehende progressive Besteuerung ja schon per definitionem nicht verhältnismäßig ist stellt sich die Frage ob eine solche verfassungsrechtlich zulässig ist.
Die progressive Besteuerung wir im Allgemeinen mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip begründet. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein unbestimmter, aber zentraler steuerrechtlicher Grundsatz. Es verlangt im Prinzip, dass jeder im Verhältnis zu seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben beitragen soll.
Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird nicht als bloß proportionale Gleichbehandlung verstanden, sondern als materielle Gleichheit unter Berücksichtigung der ökonomischen Realität Dabei geht die herrschende Lehre davon aus, dass eine proportionale Besteuerung hohe Einkommen unterbelasten würde, weil deren Grenznutzen des Geldes sinkt (1.000 € haben für Millionäre weniger Bedeutung als für Geringverdiener).
Allerdings kennt das BV-G keine Staatszielbestimmung materielle Gleichheit zu erlangen. Dieses Ziel kann daher keine sachliche Rechtfertigung sein. Art. 7 B-VG garantiert geradezu formelle Gleichheit vor dem Gesetz ohne auf materielle Unterschiede einzugehen. So wäre ein Steuergesetz, das explizit Männer höher besteuert als Frauen, in jedem Fall verfassungswidrig, auch wenn der Gesetzgeber sachliche Gründe hätte (etwa zur Förderung der Gleichstellung).
Darüber hinaus hat die Ansicht, dass der Grenznutzen mit der Höhe des Einkommens abnimmt keine wirtschaftliche Fundierung, sondern ist lediglich eine sozial-theoretische Annahme, die empirisch nicht nachweisbar ist und theoretisch nicht unumstritten ist.
Ist aber eine theoretisch umstrittene Hypothese ohne empirischen Befund nicht zu schwach für eine sachliche Rechtfertigung die in zentrale Grundrechte, wie dem Gleichbehandlungsgebot, eingreift?
Eine sachliche Rechtfertigung für einen Eingriff in ein zentrales Grundrecht braucht eine solide Grundlage. Es reicht nicht, sich auf eine bloß normative oder theoretisch umstrittene Annahme zu stützen. Die Rechtfertigung muss empirisch fundiert, plausibel und nachvollziehbar sein.
Wenn eine Ungleichbehandlung (z. B. progressive Besteuerung) auf einer schwachen, umstrittenen und empirisch nicht belegten Hypothese fußt, ist sie nicht ausreichend sachlich gerechtfertigt, um in das Gleichheitsgebot einzugreifen.
Auch wenn vielen eine progressive Besteuerung aus sozialwissenschaftlichen Überlegungen zu Gerechtigkeit, Fairness und Umverteilung wünschenswert erscheinen mag, so ist aus einer rechtsdogmatischen Sicht festzustellen, dass eine progressive Besteuerung verfassungsrechtlich problematisch ist.